21 Sep Ein Statement zur Bundestagswahl
Wir wollen dem Ausgang der Bundestagswahl nicht vorgreifen. Und es stimmt, dass wir hier uns hier mit großer Begeisterung meist unserem Schuhwerk und unseren Reisen widmen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir die Welt nur aus dieser Filterblase heraus betrachten. Auch uns beschäftigen andere Dinge. Auch wir lesen Zeitungen, sehen TV und surfen auf Nicht-Sneaker-Seiten durch’s Netz. Und auch wir leben in unserer Heimatstadt Köln mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zusammen. Deshalb macht es uns unendlich traurig, wenn voraussichtlich mit der nächsten Wahlperiode erstmals in Deutschlands Nachkriegszeit Rechtsradikale, Rechtspopulisten, halbe und vielleicht auch ganze Nazis im Bundestag sitzen. Aus einer Partei, die einst mit durchaus diskussionswürdigen Argumenten die Euro-Rettungspolitik der EU kritisierte, ist in den letzten zwei Jahren ein Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Teutonenrhetoriker, Rassisten und Ewiggestrige geworden. Bei der sogenannten „AfD“, die sich als Alternative vorstellt, wird ein braunes Süppchen mit Hetze und Vorurteilen, Fake-News und der bewussten Verdrehung von Tatsachen gekocht.
Was die Sache noch unappetitlicher macht, ist das Ziel dieser widerlichen Stimmungsmache. Die AfD-Hetze trifft nämlich die Schwächsten. Gemeint sind Flüchtlinge, die zu uns kommen, gerade weil sie glauben, bei uns endlich in Sicherheit zu sein. Überhaupt wird bei der AfD alles Fremde und Nicht-Blutdeutsche zur Bedrohung. Per Definition. Wir gehen jede Wette ein, dass die meisten AfD-Wähler noch nie ein persönliches Gespräch mit einem Flüchtling geführt haben. Denn der Mensch kann nur diejenigen pauschal hassen oder verachten, die er nicht kennt. Vermutlich sind AfDler ohnehin lieber damit beschäftigt, sich in rechten Internetforen gegenseitig ihre faschistoiden Fantasien zu erzählen oder „linksgrünversifften“ Journalisten seitenlange Hass-Emails zu schreiben.
Uns ist unbegreiflich, wie man bei klarem Verstand dem Wahlprogramm der AfD, ihren populistischen Thesen und ihrem zum Teil rechtsradikalen Personal bei einer Wahl seine Stimme geben kann. Die Ausrede, damit seinen Protest zum Ausdruck bringen zu wollen, lassen wir nicht gelten. Die AfD hetzt nämlich nicht nur gegen Flüchtlinge, sie instrumentalisiert und verstärkt Ängste statt an konstruktiven, mit unserem Grundgesetz zu vereinbarenden Lösungen interessiert zu sein. Es sagt schon alles, wenn manche Parteimitglieder in sozialen Netzwerken den nächsten Terroranschlag herbeisehnen, würde dieser ihnen doch vermeintlich noch mehr Stimmen verschaffen. Was ist das für eine Perversion?
Es sind in den vergangenen Wochen so viele geschmacklose, menschenverachtende Parolen und Statements von AfD-Politikern vorgetragen worden, dass wir aus dem Kopfschütteln eigentlich nicht mehr herauskommen (obwohl uns inzwischen noch kaum etwas verwundert). Da sollen Politiker anderer Parteien in Anatolien „entsorgt werden“ oder renommierte TV-Journalisten sich schon besser mal nach einem neuen Job umsehen. Man selbst teilt also gerne mit markigen Worten gegen Kritiker und Andersdenkende aus. Selbst einstecken, das kann man aber weniger gut. Stattdessen gefällt man sich in der Opferrolle und einer weinerlichen „Mimimimi“-Haltung, über die ein strammer Konservativer wie Ernst Jünger nur gelacht hätte. Man argumentiert ernsthaft mit dem höchsten „Akademisierungsgrad“, was das behauptete Eintreten für den „kleinen Mann“ als taktisches Wahlkampfgeschwurbel enttarnt. In Wahrheit tritt die AfD nach unten und scheint noch stolz darauf zu sein.
Auch gegen Schwulen und Lesben, gegen Alleinerziehende, Kinderlose und ziemlich pauschal gegen Muslime macht die AfD Stimmung. Also gegen alle, die sich nicht an der von ihr propagierten Output-Steigerung blutdeutschen Nachwuchses (Zitat AfD-Wahlplakat: „Neue Deutsche? Machen wir selber“) beteiligen können oder wollen. Dass sie dabei selbst kaum weniger sexistisch und frauenfeindlich ist wie jene Islamisten, die sie als das Sinnbild des Bösen bekämpft, taugt fast schon als schlechter Scherz. Bei der AfD wird die doitsche Frau nur nicht in die Burka sondern ins Dirndl gepresst.
Eine Partei, die ansonsten bei jeder Gelegenheit beklagt, dass der Staat seinen Bürgern eine vermeintliche Gutmenschen-Ideologie aufzwingen will, möchte selbst in Zukunft allen anderen vorschreiben, wie sie zu leben und sich zu verhalten haben. Da sollen Lehrpläne in Schulen umgeschrieben werden (diese 12 dunklen Jahre in der deutsche Geschichte vor 1945 waren nun mal ein blöder Ausrutscher, damit muss man die Kleinen nicht länger belästigen) und nur noch Familien aus Vater-Mutter-Kind(ern) als gesellschaftliches Musterbeispiel unterstützt werden. Die Argumentation ist dabei so dünn wie ein Blatt Papier. Andersdenkende sind im beschränkten AfD-Weltbild Lakaien des Establishments und Fakten, die man nicht hören will, ganz einfach Fake-News. Dass man es selber mit der Wahrheit in vielen Fällen nicht ganz so genau nimmt, ist eine weitere bittere Pointe. Um Ängste und Vorurteile zu bedienen, ist schließlich jedes Mittel recht.
Kommen wir zur „Lügenpresse“. Eine Hälfte des Sneakerzimmers ist seit über 10 Jahren journalistisch tätig. Deshalb schmerzt es uns besonders, wenn Kollegen plötzlich pauschal beschimpft, bedroht und in einer übelsten Fäkalsprache meist anonym beleidigt werden. Auch dort zeigt sich der wahre Geist dieses Gruselkabinetts. Die AfD-Taktik der gezielten Provokation und des inszenierten Eklats – Frau Weidel sollte lieber noch etwas Schauspielunterricht nehmen – ist dabei so durchschaubar wie plump. Und sie steht einem zivilisierten Umgang unter demokratischen Parteien diametral entgegen.
Die Sneaker-Community mag manchmal etwas oberflächlich sein. Ganz sicher ist sie aber gleichzeitig sehr international und durch das Internet über alle Ländergrenzen miteinander verbunden. Das merken wir immer wieder auf unseren Reisen. Und es spielt letztlich überhaupt keine Rolle, woher Du kommst, woran Du glaubst oder wen Du liebst. Über die Jahre haben wir Freunde in den USA, in ganz Europa und auch in Asien gefunden. Der Gedanke, Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft in eine Schublade, in Gut und Böse, einzuteilen, ist uns so fremd, dass wir es eigentlich kaum glauben können, wie man so etwas ernsthaft machen und behaupten kann. Leider sieht die Realität nicht nur hier bei uns in Deutschland oft anders aus. Dabei haben diejenigen die größten Vorurteile, die meist überhaupt keinen Kontakt zu ihrem erklärten Feindbild haben. Das Phänomen ist hinlänglich bekannt: Der Hass auf Ausländer ist überall dort besonders groß, wo die wenigsten Ausländer leben.
Man kann die Parolen der Hardcore-Trump-Unterstützer problemlos mit denen der Schreihälse von Pegida oder der AfD austauschen. Dabei hat aber nicht derjenige Recht, der am lautesten brüllt oder in die Trillerpfeife bläst. An einer zivilisierten Debatte haben die meisten dieser Leute ohnehin kein Interesse. Benehmen, das sie von anderen immer mit Nachdruck einfordern, ist ihnen selber fremd. Rassisten geht es letztlich darum, ihrem Hass auf alles Fremde Luft zu machen und ihr verqueres, beschränktes Weltbild anderen aufzuzwingen. Ab und zu ein Döner schmeckt ja ganz gut, aber ansonsten sollen die Ausländer möglichst unsichtbar bleiben. Was für ein Irrsinn!
Wir sollten uns ohnehin gelegentlich daran erinnern, dass wir verdammtes Glück haben, in diesem Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein. Bekanntlich sucht sich beides niemand aus. Hat sich einer dieser Fremdenhasser auch nur einmal mit dem Gedanken beschäftigt, dass er selbst auch aus Syrien, Afghanistan oder Afrika stammen könnte? Das ist zugegeben eine rhetorische Frage, setzt diese doch immerhin ein Minimum an Empathie voraus.
Kommen wir noch mal zurück zum Ausgangspunkt für diesen Blogpost. Der kommende Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag sollte für uns alle ein Weckruf sein. Wir leben in einer Zeit, in der man es sich nicht leisten kann, unpolitisch zu sein oder keine Meinung zu haben. Die große Mehrheit der Menschen in diesem Land muss endlich deutlicher Stellung beziehen und sich gegen die fremdenfeindlichen, rassistischen, rückwärtsgewandten und wirren Stimmen der Rechtspopulisten positionieren. Über einen Nachbar Jerome Boateng würden wir uns jedenfalls sehr freuen – der FC kann derzeit Unterstützung gut gebrauchen – und sogar einen Bernd Höcke würden wir irgendwie noch tolerieren. Hier in Köln darf bekanntlich jeder (Depp) nach seiner Façon selig werden. Und gegen ein Recht auf Dummheit lässt sich bislang ebenso wenig etwas machen wie gegen schlechten Geschmack. Deshalb darf Herr Gauland auch weiterhin seine scheußlichen Anzüge tragen.
Natürlich gibt es noch viele andere Gründe, wieso die AfD unwählbar ist. Eine Partei, die ernsthaft den Klimawandel leugnet und die Deutschland aus EU und Euro führen will, zeigt nur, dass sie geistig im letzten Jahrhundert stehen geblieben ist. Ihre Positionen sind aber nicht nur überholt, sie sind auch gefährlich. Wir sind uns bewusst, dass wir mit diesem Statement keinen einzigen Hardcore-AfD-Sympathisanten überzeugen werden. Uns geht es vielmehr darum, die vielen, die nicht wissen ob und wen sie wählen sollen, die Vernünftigen und vielleicht auch die Verunsicherten zu erreichen.
Jede Stimme für eine demokratische Partei ist zugleich eine Stimme gegen die Extreme. Wir alle haben eine Zukunft. Überlassen wir diese nicht den Falschen.