Pittsburgh liegt zugegeben etwas abseits der üblichen US-Reiserouten. Vielleicht hat uns die Stadt an den drei Flüssen, das ehemalige, dreckige Herz der amerikanischen Stahlindustrie, deshalb so gereizt. Tatsächlich haben wir unsere Tage in der Stadt auch dank ihrer offenen, freundlichen Bewohner sehr genossen. Wir würden am liebsten gleich unsere Koffer packen und noch einmal dorthin zurückkehren. Etwas schmunzeln mussten wir, wenn uns wieder einmal jemand fragte, warum wir ausgerechnet nach Pittsburgh gekommen sind. Etwas Ähnliches ist uns bislang nur in Austin passiert.
Unsere „Basis“ war das vielen sicherlich bekannte Ace Hotel im Stadtteil East Liberty. Dieser erfuhr gerade in den letzten Jahren einen rasanten Wandel. Auch dank Google, die kürzlich hierher gezogen sind, ist hier eine echte Aufbruchstimmung zu spüren. Es eröffnen viele neue, kleine Stores, Restaurants und Geschäfte. Kein Wunder, dass auch das Ace Hotel genau hier neu aufgemacht hat und zwar im Gebäude eines früheren YMCA. Dessen Charme ist noch immer in dem gerade bei Kreativen beliebten Hotel zu spüren. Ansonsten bleibt es beim gewohnten Ace-Komfort, dem stylischen Design und der rockigen Attitüde der anderen Ace Hotels. Weil das Gute oftmals sehr nahe liegt, wollen wir gleich das Whitfield Restaurant im Ace Hotel sowie die erstklassige Hotel-Bar erwähnen. Im Whitfield lässt sich verdammt gut frühstücken, auch das Dinner können wir dort nur empfehlen. Bekannt ist die Küche nicht zuletzt für ihre großartigen Steaks.
Verlässt man das Hotel befindet sich in Blickweite einer von zwei Social Status-Stores in Pittsburgh. Die Sneaker Boutique hat ihre Basis zwar in North Carolina, Pittsburgh ist aber längst so etwas wie die zweite Heimat. Der Store in East Liberty (5929 Penn Ave) ist deutlich größer als der in Downtown, was ganz einfach an den Mietpreisen liegt. Auch das Angebot unterscheidet sich leicht. Die meisten Hype-Releases kommen zuerst oder ausschließlich in den Store in Downtown Pittsburgh. Ein verbindendes Element beider Stores, die wir in einem extra Store-Guide noch genau vorstellen möchten, sind die einzelnen Boxen aus Plexiglas sowie die Holzelemente in der Verkleidung. Der Store in East Liberty führt praktisch alle gängigen Sneaker-Marken und versucht sich darüber hinaus auch an einem Fashion-Angebot (Bape, Rick Owens, Y-3, MCM).
Geht man die Penn Avenue weiter westlich hinunter, so trifft man in knapp 10 Minuten auf ein interessantes Trio. Refresh (5450 Penn Ave) ist ein klassischer Consignment-Store, das heißt hier finden sich Yeezys, seltene Jordans, NMDs, ältere Collabos zu den entsprechenden Preisen. Auch Apparel von Bape, Supreme und anderen Labels verkaufen die Jungs, deren Gastfreundschaft echt phänomenal war (auch wenn wir nichts gekauft haben). Es scheint so, als habe jeder in Pittsburgh einen Bezug zu Deutschland. Zumindest kommt man unglaublich schnell ins Gespräch, wenn man sagt, dass man aus „Germany“ kommt.
Gleich neben Refresh befindet sich Daily Bread. Die Streetwear-Marke wird auch von Promis wie Whiz Kalifa (dessen goldene Platten hier hängen) oder Asap Rocky gerne getragen, was sie längst auch außerhalb Pittsburghs recht bekannt gemacht hat. Mehr als die Daily Bread-Klamotten hatte es uns jedoch die Supreme-Luftmatratze angetan. Wir haben aber erst gar nicht nach dem Preis gefragt. Vielleicht war sie ja unverkäuflich.
Shop Nr. 3, der mit Daily Bread und Refresh praktisch eine Streetwear-Community bildet, ist der ganz auf Skater-Kunden spezialisierte Timebomb. Schuhe von Vans, Klamotten von The Hundreds bilden die Basis des Sortiments. Besitzer Brian ist mit seinen 43 Jahren ein alter Haudegen im Geschäft. Der leidenschaftliche Punkrocker ist mit seinem Laden erst vor wenigen Monaten in die neue Adresse eingezogen. Hier hat er einfach bessere Möglichkeiten, sein Geschäft weiterzuentwickeln, so verrät er uns.
Von East Liberty kommt man mit den Buslinien 86, 88 und 71C recht bequem in den Strip District (das Party- und Ausgehviertel von Pittsburgh) sowie nach Downtown. Wir fahren bis zur 9. Straße/Ecke Liberty Avenue, wo wir aussteigen und über die Brücke auf die andere Flussseite gehen. Dort spielen im PNC Park die Pittsburgh Pirates und auf dem Heinz Field (genau der Ketchup-Typ kommt auch aus Pittsburgh) die Pittsburgh Steelers. Weil wir aber gerade in der Pre-Season in der Stadt waren, fiel ein Besuch der Heimspiele für uns aus.
Stattdessen gingen wir ins Andy Warhol Museum (117 Sandusky St), das wirklich jede Minute und jeden der 20 Dollar Eintritt wert ist. Verteilt auf vier bzw. fünf Ebenen (wenn man den Museums-Store dazu rechnet) wird nicht nur chronologisch das Leben und die Kunst Warhols präsentiert, es werden auch viele Künstler mit ihren Werken vorgestellt, die wie Ai Weiwei lange Jahre eine enge kreative Verbindung zu Warhol hatten. Nach diesen gut 2 Stunden fühlt man sich wie in eine andere Welt teleportiert. Eine Zeitreise in die Ära der Popart. Selbst Museums-Muffel werden absolut begeistert sein – versprochen!
Weil Kunst hungrig macht, geht es als nächstes zum Lunch in die Smallman Galley (2016 Smallman Street) in den zuvor schon erwähnten Strip District. Die Idee hinter der Smallman Galley ist fast so gut wie das Essen, was man dort bekommt. Im Wechsel von einigen Monaten können hier vier unterschiedliche Küchenchefs ihre Kochkunst beweisen und den Gästen vorstellen. Viele bauen danach ihr eigenes Restaurant auf. Es handelt sich gewissermaßen um ein Pop-up-Konzept, ein Street-Food-Ansatz abseits der bekannten Foodtrucks. Von den Betreibern der Smallman Galley wird auf eine gute Mischung der Restaurants geachtet. So gab es bei unserem Besuch ein asiatisches Bistro, ein Fleisch-/BBQ-Angebot, einen Toast-/Sandwich-Stand sowie das auf Gemüsegerichte spezialisierte Carota Cafe. Genau so ein Konzept würde sicher auch in Deutschland abseits der bekannten Foodmärkte und Foodtrucks funktionieren.
Hatten wir eingangs erwähnt, dass Pittsburgh die Stadt der drei Flüsse ist und eine Vergangenheit als Stahlofen Amerikas hat? Die Folgen der damit einhergehenden Umweltverschmutzung sind in den Gewässern nahe der Stadtmitte durchaus noch sichtbar. Weiter außerhalb, so berichten es uns mehrere Einheimische, sieht es aber schon deutlich besser auf. Da könnte man inzwischen sogar bedenkenlos im Fluss baden. Wir wollen aber nur von oben einen Blick über Pittsbugh bekommen. Dazu fährt man am besten hinauf zum Mount Washington südlich des Stadtzentrums. Für die Rückfahrt sollte man unbedingt eines der alten Cable Cars nehmen. Der Ausblick von oben ist gleichzeitig das perfekte Postkartenmotiv. Mit etwas Glück bekommt man sogar noch einen gratis Einblick in die Geschichte der Stadt und der Seilbahn am Duquesne Incline.
Zurück in Downtown gehen wir als nächstes zu Villa (435 Wood St). Die Sneaker- und Sportswear-Kette ist mit Foot Locker durchaus vergleichbar. Das insgesamt recht standardisierte Sortiment wird durch so manchen Sale-Schnapper und den ein oder anderen längst vergessenen Release aber am Ende noch interessanter als gedacht. Sollte man mal vorbeischauen, zumal einer der beiden Stores wirklich im Herzen Pittsburghs liegt.
Ihr werdet es vermutlich schon geahnt haben, aber wir lieben es, am Wochenende zu brunchen. Eine Top-Brunch-Adresse ist The Commoner (458 Strawberry Way) im Hotel Monaco. Bereits ab 7.30 Uhr kann man hier jeden Samstag und Sonntag bei Köstlichkeiten wie den Lamm Egg Benedicts den Urlaubstag beginnen. Abends bietet zudem der Biergarten auf dem Dach des Hotel Monacos den perfekten Spot, um den Tag bei einem kühlen Getränk und deftigem Essen zu verabschieden. Immer wieder wurde uns das Meat & Potatoes (649 Penn Ave) als Brunch-Adresse empfohlen. Wir konnten das leider selbst nicht mehr überprüfen, wollen es aber dennoch nicht unerwähnt lassen.
Ganz sicher empfehlen können wir dagegen die gut einstündige Führung durch die Destillerie von Wigle Whiskey (2401 Smallman Street) inklusive Begrüßungs-Cocktail und Whiskey-Verkostung. Auf sehr unterhaltsame Weise bekommt man dazu noch einen Schnellkurs in Geschichte. Und keine Sorge: Wirklich betrunken machen die kleinen Kostproben nicht. Man hat danach also noch genug Energie, um die Stadt weiter erkunden zu können. Am besten packt man sich nach Ende der Tour ein oder zwei Flaschen Wigle-Whiskey für den Abend oder Zuhause ein.
Ähnlich im Kommen wie East Liberty ist der recht alternative Stadtteil Lawrenceville im Nordwesten Pittsburghs. Auf der Butler Street, die das Viertel wie eine Hauptschlagader durchzieht, siedeln sich immer mehr kleine Cafés, Stores, Restaurants und Spezialitäten-Geschäfte an.
Ganz im Süden der Butler Street befindet sich das Morcilla (3519 Butler St), das vom Bon Appetit-Magazin zuletzt auf den vierten Platz der „Best New Restaurants“ gewählt wurde. Auch wenn wir im Vorfeld bereits hohe Erwartungen an die spanischen Tapas von Küchenchef Justin Severino hatten, das Essen hat diese allesamt locker geschlagen. Bis auf die Tatsache, dass wir uns mit der Portionsgröße etwas verschätzt hatten (wir haben zwei Gerichte zu viel bestellt), war das wohl das perfekte Dinner. Es fällt uns jedenfalls schwer, nur ein Gericht herauszuheben. Der „Rocky Balboa Salat“ wird selbst Salat-Gegner bekehren, die Charcuterie-Auswahl – das Steckenpferd von Severino – war besser als in einer spanischen Tapas-Bar, der Ochsenschwanz auf geröstetem Brot kulinarische Meisterklasse. In jedem Fall sollte man hier im Vorfeld einen Tisch reservieren. Der Ansturm dürfte in den nächsten Monaten nicht kleiner werden.
Geht man die Butler Street noch etwas weiter Richtung Norden (und vorausgesetzt man hat sich noch etwas Platz für einen Nachtisch gelassen), dann sollte man das gerollte Eis in der NatuRoll Creamery (4318 Butler St) probieren. Dieser Eiscreme-Trend, der zunächst in New York zu langen Schlangen führte, stammt eigentlich aus Südostasien. Dort kennt man diese Art der Zubereitung auf einer kalten Stahlplatte schon lange. Dennoch sollte man den Spaßfaktor der Creamery nicht unterschätzen. Unser „Cookie Monster“-Eis war jedenfalls unverschämt lecker.
Auf der Butler Street sind wir dann gleich neben der NatuRoll Creamery noch über einen zweiten Consignment-Store „gestolpert“. Anthony’s Locker (4314 Butler St) ist eine echte Schatzkammer, in der auch echte Vintage-Raritäten und alte Jordan-Releases zu finden sind. Aber selbstredend kann man gegen das gewisse Kleingeld auch neue Hypemodelle und Collabos bei Anthony finden. Wie er uns verriet, soll der Store demnächst noch etwas vergrößert und aufgehübscht werden.
Die Butler Street ist ganz eindeutig das Zentrum von Lawrenceville, das immer mehr zu einem echten Szeneviertel wird. Gut sortierte Herrengeschäfte wie das Kinsman (3818 Butler St) und stylische Restaurants/Bars wie The Vandal (4306 Butler St) sind hierfür ein weiterer Beleg. Im charmanten Row House-Kino (4115 Butler St) werden hauptsächlich Filmklassiker wie „The Sting“ oder „Scarface“ gezeigt. Da hüpft unser Cineasten-Herz!
Als Deutscher wie zu Hause fühlen, kann man sich dagegen in der The Church Brew Works (3525 Liberty Ave). Das ist genau das, wonach es sich anhört: Eine ehemalige Kirche (!), in der regionales und überregional gebrautes Bier ausgeschenkt wird. Allein die Kombination aus Kirchenoptik mit Brauhaus-Charme – bunte Mosaikfenster, vor denen Braukessel stehen – macht den Besuch eigentlich zur Pflicht. Sowohl Touristen, von denen es in Pittsburgh nicht allzu viele gibt, als auch Einheimische scheinen sich hier nur zu gerne das ein oder andere Bier zu gönnen. Brauhaus-Gemütlichkeit mitten in Pittsburgh!
Wer uns kennt, weiß inzwischen, dass kein City Guide ohne eine Empfehlung für einen guten Coffee-Zwischenstopp wirklich vollständig ist. Im Fall von Pittsburgh brauchten wir nicht lange suchen. Denn Zeke’s Coffee (6015 Penn Ave), eine klimatisierte Kaffee-/Chillout-Zone mit kostenlosem Wlan, lag nur einen Steinwurf vom Ace Hotel entfernt und so haben wir dort täglich gleich mehrfach vorbeigeschaut. Egal ob Latte-Art oder süße Köstlichkeiten, bei Zeke wird jeder garantiert glücklich. Unser Glück war es, dass wir uns für einen Besuch von Pittsburgh entschieden haben. Wir haben es nicht bereut!